Jeder ambitionierte Athlet kennt das Gefühl, wenn man bergauf höhere Wattleistungen realisieren kann als in der Ebene. Obwohl die Antwort für viele logisch erscheint, lohnt es sich die Mechanismen aus biomechanischer und physiologischer Sicht zu verstehen. Zusammen mit meinen Kollegen haben wir dieses Thema sogar wissenschaftlichen unter dem Titel „Effects of Flat and Uphill Cycling on the Power-duration Relationship“ (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35180799/) untersucht.

Zuallererst sollten wir festhalten, dass die mechanische Leistung, mit Hilfe von Dehnmessstreifen, die entweder in der Tretkurbel, Kurbelarm oder Pedal eingearbeitet sind, erfasst wird. Genauer genommen wird nicht die Leistung erfasst, sondern das Drehmoment – also die Kraft, die unter einem Hebelarm auf einen Drehpunkt einwirkt. Das Drehmoment wird in Newtonmeter gemessen und zusammen mit der Trittfrequenz, also die Kurbelumdrehungen pro Minute, ergibt sich daraus die Leistung in Watt. Die gleiche Leistung kann somit mit einer hohen Trittfrequenz und geringem Drehmoment oder mit niedriger Trittfrequenz und hohem Drehmoment realisiert werden. Deshalb kann eine Leistung von 300W mit 60 U/min und einem Drehmoment von 48 Nm, oder 90 U/min und 32 Nm realisiert werden. Obwohl es aus physikalischer Sicht keinen Unterschied macht, hat es jedoch physiologisch einen Einfluss. Wenn man also bergauf fährt, wo neben dem Luft- und Rollwiderstand noch die Hangabtriebskraft wirkt und man aufgrund der Übersetzung nur 60-70 U/min realisieren kann, muss automatisch das Drehmoment erhöht werden, um die gleiche Leistung zu fahren. Zudem weiß man, dass der Bruttowirkungsgrad (also die Effizienz) bei niedrigerer Trittfrequenz ca. 60 U/min am höchsten ist.

Der einzige Nachteil ist, dass es langfristig muskulär zu ermüdend wird und unsere schnellzuckenden Muskelfasern (Typ IIa und IIx) zunehmend früher zugeschaltet werden müssen. Dabei könnten wir von unserem Herzkreislaufsystem deutlich mehr leisten. Deshalb geht man im Radsport den Kompromiss ein mit höheren Trittfrequenzen zu fahren 90-100 U/min, um das Herzkreislaufsystem besser ausnutzen und gleichzeitig die angepeilte Leistung länger durchhalten zu können. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass wenn man von der Übersetzung bergauf nicht limitiert ist, sprich die gleiche intendierte Trittfrequenz fahren kann, wie in der Ebene, gibt es keinen Unterschied in der Leistung. Athleten die bergauf nicht die gleiche Trittfrequenz, wie in der Ebene fahren können, tendieren bergauf „mehr“ Watt fahren zu können. Dies ist aber einzig allein darauf zurückzuführen, dass der Athlet nicht die richtige Übersetzung für das Bergfahren gewählt hat.

Zusammenfassend können wir daraus ableiten, dass es im Grunde nur an der Übersetzung liegt, ob ich bergauf mehr Leistung fahren kann als in der Ebene. Durch den Einfluss der Trittfrequenz und dem Drehmoment auf die Leistung können beide Faktoren im Training durch gezielte Intervalle verbessert werden.

Eine klassische Einheit zur Steigerung des Drehmoments sind 5×2-4min mit 0.8-1 Nm/kg bei einer Trittfrequenz von 55 U/min. Für einen 70 kg Athleten wären das 320-400W.

Eine klassische Einheit zur Steigerung der Trittfrequenz sind verschiedene Trittfrequenzpyramiden z.B. 5x4min wobei pro Minute die Trittfrequenz um 20 U/min gesteigert wird bei Start 60 U/min. Die Leistung sollte dabei die Schwellenleistung nicht übersteigen.

 

Über den Autor: Peter Leo ist promovierter Sportwissenschafter und  selbst ehemaliger Triathlet. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, im Zuge dessen er schon unzählige Arbeiten veröffentlicht hat, ist er auch als Trainer im Radsport und Triathlon tätig.  Dort im Speziellen im Nachwuchs- als auch Elitesport aber auch im ambitionierten Agegroupe-Bereich.