Weiter geht es mit dem zweiten Teil der Serie Krafttraining im Ausdauersport. In Teil 1 haben wir uns ja schon etwas den generellen Einblicken gewidmet. Hier möchte ich dann auch gleich anschließen. Wer sich noch einmal in Episode 1 einlesen will, kann das hier tun.

Wie und warum finden jetzt aber Adaptionen im Krafttraining statt? Dazu ist es notwendig, zuerst etwas genauer auf die Punkte Muskelfasern und Muskelfaserverteilung einzugehen.

Die Skelettmuskulatur besteht aus vielen (gebündelten) Muskelfasern, die wiederum durch Bindegewebe zusammengehalten werden. In den Muskelfaserzellen wird die Energie zur Kontraktion in den sogenannten Mitochondrien bereitgestellt. Verantwortlich für die Bewegung der Muskeln sind vor allem die Myofibrillen, welche sich innerhalb der Muskelfaser befinden. Myofibrillen sind sozusagen Untereinheiten der Muskelfaser. Sie bestehen aus Sarkomeren, die sich wiederum vor allem aus den Proteinen Aktin und Myosin (und Titin) zusammensetzen. Die Myofibrillen erstrecken sich dabei über die gesamte Länge der Muskelfaser. Infolge von Nervenimpulsen ziehen sich die Myofibrillen zusammen und kontrahieren so, insbesondere unter Mitwirkung der fadenförmigen Proteine Aktin und Myosin im Sarkomer, den Muskel. (vgl. Hollmann/Strüder 2009). Der dafür, bereits erwähnte, notwendige Impuls geht von den zuständigen motorischen Nervenzellen (auch Motoneuronen genannt) aus. Ein Motoneuron innerviert dabei jeweils eine ganze Gruppe von Muskelfasern. Das Motoneuron und die von ihm gesteuerten Muskelfasern bezeichnet man auch als motorische Einheit (vgl. Wagner/Mühlenhoff 2017).

Muskelfasern unterscheiden sich grundlegend in langsam kontrahierende – sogenannte Typ I oder auch ST (slow-twitch) – Fasern und in schnell kontrahierende Typ II – auch FT (fast-twitch) – Fasern. Der Typ II wird dabei auch noch in Typ IIa oder auch FTO (fast-twitch-oxidative) Fasern unterteilt. (vgl Gutschlhofer et al. 2017).

Dabei weisen die Typ II Fasern eine drei bis fünf Mal höhere Kontraktionsgeschwindigkeit auf als Typ I Fasern auf. Grund dafür ist die schnellere Spaltung von ATP (Adenosintriphosphat = universelle Energielieferant aller Zellen) in den FT-Fasern. Die Typ I Fasern benötigen bei gleicher Arbeit weit weniger ATP als die Typ II Fasern und arbeiten daher weitaus effizienter (vgl. Hoppeler/Billeter 2003). Typ I Fasern können eine eher geringe Kraftentwicklung entfalten, entscheidend ist hier allerdings die Ausdauerfähigkeit der Typ I Fasern unter aerober Energiebereitstellung. Die schnellkontrahierenden Typ II Fasern dagegen können hohe Kräfte entwickeln, jedoch bei weitaus geringerem Ausdauervermögen. Es sind immer alle Muskelfasertypen in der Skelettmuskulatur vorzufinden. Entscheidend ist dabei jedoch das, genetisch bedingte, Verhältnis der Muskelfasertypen (vgl. Lindel 2006).

Grundsätzlich kann gesagt werden, Athletinnen und Athleten in Schnelligkeits- und Kraftsportarten weisen einen, genetisch disponierten, höheren Anteil an FT-Fasern auf, während Sportlerinnen und Sportler in Ausdauersportarten tendenziell vermehrt Typ I Fasern besitzen (vgl. Gutschlhofer et al. 2017).

Die berechtigte Frage der trainingsbedingten Umwandlung von einem Muskelfasertyp in einen anderen, ist nach heutigem Wissensstand nicht eindeutig zu beantworten. Da Muskelfasern allerdings ein äußerst hohes adaptives Potential besitzen ist es aber durchaus denkbar, dass die Verteilung der Musekelfasertypen, durch gezieltes regelmäßiges Training, verändert werden kann (vgl. Pette 1999). Wenn vermutlich auch nur in einem eher geringen Ausmaß. Als zentrale Aufgabe des Krafttrainings sollte daher die Zunahme des Muskelfaserquerschnitts und die daraus resultierende Zunahme der Musekelfaseroberfläche und Kraft angesehen werden (vgl. Hollmann/Strüder 2009).

Einige Zeile weiter oben wurde schon der Begriff motorische Einheit erwähnt. Hier ist meiner Ansicht nach ein, dem Verständnis halber, etwas tieferer Einblick notwendig. Eine motorische Einheit besteht aus der motorischen Nervenzelle (Motoneuron), der Nervenfaser (Axon), einem Verbindungsstück zwischen Muskel- und Nervenfaser (die sogenannte motorische Endplatte) und einer unterschiedlichen Anzahl an Muskelfasern (immer vom gleichen Muskelfasertyp – also entweder Typ I oder Typ II Fasern), welche an die motorische Endplatte „angeschlossen“ sind (vgl. Zatsiorsky/Kraemer 2008). Die Kraft der jeweiligen motorischen Einheit ist dabei von der Anzahl und vom Typ der Muskelfasern innerhalb der Einheit abhängig (vgl. Hartmann/Tünnemann 1990).

Da eine einzelne motorische Einheit allerdings ein immer noch recht geringes Kraftpotential besitzt, ist es notwendig zur Bewegungsausführung immer mehrere Einheiten gleichzeitig heranzuziehen. Dabei gilt, je höher der zu überwindende Widerstand ist, desto mehr motorische Einheiten müssen involviert sein. Durch ein gezieltes Krafttraining werden motorische Einheiten aktiviert, wodurch eine Kontraktionskraft von 80-90% der Maximalkraft erzielt werden kann. In diesem Fall spricht man auch von Rekrutierung (vgl. Wagner/Mühlenhoff 2017).

Eine weitere Möglichkeit zur Entwicklung der Kraftentfaltung besteht in der sogenannten Frequenzierung. Hierbei geht es um die Aktivierungsfrequenz motorischer Einheiten. Vereinfacht gesagt wird dabei die Frequenz erhöht, mit der Aktionspotentiale vom Motoneuron an den Muskel weitergegeben werden und einzelne Muskelzuckungen auslösen. Daraus resultiert, durch vermehrte Überlagerung von Einzelzuckungen, ein höherer Kraftanstieg. Dabei tritt die Frequenzierung immer mehr in den Vordergrund, je höher die Intensität wird (vgl. Wagner/Mühlenhoff 2017).

Als letzte Möglichkeit zur weiteren Steigerung der Kraft gilt die Synchronisierung. Dabei geht es darum, möglichst viele asynchron arbeitende Muskelfasern respektive motorische Einheiten gleichzeitig – also synchron – anzusteuern (vgl. Zatsiorsky/Kraemer 2008). Das wirkt sich vor allem positiv auf die Steigerung der Explosivkraft aus (vgl. Wirth 2004)

Rekrutierung, Frequenzierung und Synchronisierung werden auch als die neuronalen Faktoren der Muskelkraft beschrieben (Wagner/Mühlenhoff 2017). Vielleicht auch besser bekannt als intramuskuläre Koordination.

 

 

Literatur:
Gutschlhofer, T., Kandolf, W., Mrkvicka, G., Reiterer, E., Vock A., Wolf, M., Zeilinger, M. (2017): Angewandte Trainingslehre. Eine Expertise der Bundessportakademie. Wien: Bundesministerium für Bildung, S. 64.
Hartmann, J., Tünnemann, H. (1990): Das große Buch der Kraft. Berlin: Sportverlag.
Hollmann, W., Strüder, H. (2009): Sportmedizin. Grundlagen für Arbeit, Training und Präventivmedizin. 5. Auflage. Stuttgart, New York: Schattauer.
Hoppeler, H., Billeter, R. (2003). Struktur und Funktion der Skelettmuskulatur. In: Therapeutische Umschau. Muskel- Funktion und Erkrankungen, 60 (7), S. 363-370.
Lindel, K. (2006): Muskeldehnung. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
Pette, D. (1999): Das adaptive Potential des Skelettmuskels. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 50(9), S. 262-274.
Wagner, A., Mühlenhoff, S. (2017): Krafttraining im Radsport. Methoden und Übungen zur Leistungssteigerung und Prävention. 2. Auflage. München: Elsevier, S. 32-38.
Wirth, K. (2004): Trainingshäufigkeit beim Hypertrophietraining. Unveröffentlichte Dissertation. Frankfurt am Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität.
Zatsiorsky, V., Kraemer, W. (2008): Krafttraining. Praxis und Wissenschaft. 2. Auflage. Aachen: Meyer & Meyer